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kath 2:30 Dies DominiDies domini – Vierter Adventssonntag, Lesejahr B

Es ist die Zeit der Rückblicke. Vom Ende her betrachtet erscheinen die Erfahrungen und Ereignisse der Vergangenheit in einem besonderen Licht. Was vor Jahresfrist noch nicht zu ahnen war, ist Wirklichkeit geworden. Es gehört wohl zum Menschsein, dass an zentralen Wendepunkten – und dazu gehören auch die Jahreswenden – Bilanz gezogen wird. Wird aus dem, was war, für die Zukunft Gutes werden können?

Man kennt die Ambivalenz der guten Vorsätze, deren Halbwertzeit oft nicht bis zum Ende des nächsten Tages währt. Man kann halt nicht wissen, was kommt; wohl weiß man, was war. Die Summe der Erfahrungen kann nicht geändert werden. Die Hoffnung auf das kommende hingegen ist bleibend flexibel. Was aber ist, wenn nach dem Ende nichts mehr kommt? Was ist, wenn die Bilanz endgültig und eben keine Zwischensumme mehr ist?

Von hier aus betrachtet haben letzte Worte ein besonderes Gewicht. Sie sind so bedeutsam, dass sie von großen Persönlichkeiten nicht nur überliefert, sondern ihnen mitunter sogar in den Mund gelegt werden. Hat Papst Johannes Paul II wirklich „Amen“ gesagt, bevor er starb? Und hauchte Julius Cäsar wirklich mit letzter Kraft „Et tu, Brute“, „Auch Du, Brutus“? Wer kann das schon sagen. Heute, ja heute würde das alles wahrscheinlich live via Smartphone ins Internet übertragen. Ohne diese Profanierung des Endes aber haben letzte Worte die Kraft, Legenden zu bilden. Von Jesus, dem fleischgewordenen Logos, werden sogar sieben letzte Worte überliefert, die er am Kreuz gesprochen, geschrien oder ausgehaucht haben soll.

Letzte Worte sind auch in der zweiten Lesung vom vierten Advent im Lesejahr B zu hören. Es sind keine letzten Worte eines ganzen Lebens, wohl aber die letzten Worte, die von Paulus durch die Zeiten hindurch authentisch vernehmen. Der Römerbrief ist das letzte und jüngste seiner Briefe, die bis heute überliefert wurden. Er wurde wahrscheinlich in Korinth um das Jahr 55 unserer Zeitrechnung geschrieben. Paulus wird noch einige Jahre leben – und er hat noch einiges vor. In Röm 15,30-32 bittet er die Gemeinde in Rom um das begleitende Gebet für seine Reise nach Jerusalem. Dort will er wohl die auf dem Apostelkonzil vereinbarte „Sammlung für die Armen“ (vgl. Gal 2,10) übergeben – und es ist wohl nicht sicher, ob die jüdisch-christlichen Mitglieder der Urgemeinde die heidenchristliche Gabe annehmen werden. Deshalb bittet er die ihm noch unbekannte römische Gemeinde um deren Gebet und kündigt gleichzeitig seinen Besuch an:

Ich bitte euch aber, Brüder und Schwestern, bei unserem Herrn Jesus Christus und bei der Liebe des Geistes: Kämpft mit mir in den Gebeten für mich vor Gott, dass ich vor den Ungehorsamen in Judäa gerettet werde, dass mein Dienst an Jerusalem von den Heiligen dankbar aufgenommen wird und dass ich, wenn es Gottes Wille ist, voll Freude zu euch kommen kann, um mit euch eine Zeit der Ruhe zu verbringen! Röm 15,30-32

Der Römerbrief nimmt unter den paulinischen Briefen eine Sonderstellung ein. Alle Briefe schreibt er entweder an Gemeinden, die er gegründet hat, oder – im Fall des Philemonbriefes – an eine ihm bekannte Person. Dei Gemeinde zu Rom aber hat er weder gegründet noch kennt er sie persönlich. Aber er möchte sie besuchen. Mit dem Römerbrief stellt er sich gewissermaßen vor – auch theologisch. Deshalb ist der Römerbrief als Ganzes eine Art theologisches Testament des Paulus, die Summe seiner Theologie. Wie so oft in Texten kommt insbesondere dem Schluss eine große Bedeutung zu. Anfang, vor allem aber das Ende sind die markanten Pole, die in Erinnerung bleiben. Das kann man schon bei der Tagesschau sehen:  Die erste Meldung ist markant und als Topmeldung so bedeutsam, dass sie in Erinnerung bleibt. Auch das, was am Ende gesagt wird, bleibt präsent. Um sich an die Meldungen dazwischen zu erinnern, braucht es meist etwas Zeit. Deshalb ist es für viele Anchorwomen bzw. Anchormen zu Gewohnheit geworden, eigene Schlussakzente zu setzen. Die Exegese spricht hier auch vom „Achtergewicht“, denn das Ende bleibt auch nach dem Schluss präsent und setzt so seine eigenen Akzente. Deshalb sind letzte Worte so bedeutsam.

In der zweiten Lesung vom vierten Advent im Lesejahr B sind nun die letzten vernehmbaren Worte des Paulus durch die Zeiten zu hören:

Ehre sei dem, der die Macht hat, euch Kraft zu geben – gemäß meinem Evangelium und der Botschaft von Jesus Christus, gemäß der Offenbarung jenes Geheimnisses, das seit ewigen Zeiten unausgesprochen war, jetzt aber nach dem Willen des ewigen Gottes offenbart und durch prophetische Schriften kundgemacht wurde, um alle Heiden zum Gehorsam des Glaubens zu führen. Ihm, dem einen, weisen Gott, sei Ehre durch Jesus Christus in alle Ewigkeit! Amen. Römer 16,25-27

Es sind nicht viele Worte, die hier gemacht werden. Die Lesung ist kurz. In diesen Tagen aber, in denen die Menschheit im Allgemeinen durch das Corona-Virus herausgefordert ist, die Kirche aber durch immer neue Meldungen über den bemerkenswert desaströsen Umgang mit den von Missbrauch Betroffenen im Besonderen ihrer Glaubwürdigkeit verlustig zu gehen droht, wird die Vielschichtigkeit letzter Worte in ihrer ganzen Potenz deutlich. Den einen vermögen sie als Hoffnungszeichen zu erscheinen, den anderen hingegen als Mahnung – ganz so, wie es Paulus an anderer Stelle sagt:

Dank sei Gott, der uns stets im Triumphzug Christi mitführt und durch uns den Geruch seiner Erkenntnis an allen Orten verbreitet! Denn wir sind Christi Wohlgeruch für Gott unter denen, die gerettet werden, wie unter denen, die verloren gehen. Den einen sind wir Todesgeruch, der Tod bringt; den anderen Lebensgeruch, der Leben bringt. Wer aber ist dazu fähig? Denn wir sind nicht wie die vielen anderen, die mit dem Wort Gottes Geschäfte machen. Wir verkünden es aufrichtig, von Gott her und vor Gott in Christus. 2 Korinther 2,13-17

In seinen letzten, im Römerbrief überlieferten Worten legt Paulus den Fokus unmittelbar auf Gott. Ihm allein gilt die Ehre, er allein hat die Macht, Kraft zu geben. Gott ist Ursprung und Ziel allen Seins. Dann aber wendet Paulus – fast abrupt die Perspektive auf sich selbst. Er war und ist es ja, dessen Evangelium und Botschaft von Jesus Christus diesen Gott bekannt gemacht hat. Er hat dieses Wissen um die Macht Gottes freilich nicht aus sich selbst, sondern aufgrund einer Offenbarung Gottes selbst. Diese allerdings hat er nicht exklusiv – sie ist schon in den prophetischen Schriften erkennbar. Das Ziel ist die Verkündigung dieses Gottes unter den Heiden – also unter den nichtjüdischen Völkern, mit dem Ziel, dass

ihm, dem einen, weisen Gott, (…) Ehre [sei] durch Jesus Christus in alle Ewigkeit! Römer 16,27

In ähnlicher Weise formuliert Paulus das Ziel seines Lebens, für das er verkündet und handelt, im 2. Korintherbrief:

In allem werdet ihr reich genug sein zu jeder selbstlosen Güte; sie wird durch uns Dank an Gott hervorrufen. Denn dieser heilige Dienst füllt nicht nur die leeren Hände der Heiligen, sondern wird weiterwirken als vielfältiger Dank an Gott. Vom Zeugnis eines solchen Dienstes bewegt, werden sie Gott dafür preisen, dass ihr euch gehorsam zum Evangelium Christi bekannt und dass ihr ihnen und allen selbstlos geholfen habt. In ihrem Gebet für euch werden sie sich angesichts der übergroßen Gnade, die Gott euch geschenkt hat, eng mit euch verbunden fühlen. Dank sei Gott für sein unfassbares Geschenk! 2 Korinther 9,11-15

Auch das sind letzte Worte des Paulus – am Ende seines in 2 Korinther 1-9 überlieferten Briefes, mit dem er in Korinther für die Durchführung seiner Kollekte für die Jerusalemer Urgemeinde wirbt. Diese Sammlung ist ihm wichtig, weil in ihr deutlich wird, dass er Worten auch Taten folgen lässt. Ohne Taten bleiben Worte immer nur leere Versprechen. Daran erinnert Paulus mit seinen letzten, den allerletzten Worten im Römerbrief: Wer verkündet, muss auch handeln. Wer die Macht Gottes anruft, muss ihm gehorchen. Hier aber gilt:

Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wer den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören. Denn Gottes Tempel ist heilig und der seid ihr. 1 Korinther 3,16f

Für die Herausforderungen der Corona-Pandemie heißt das, dass alles zu tun ist, um der Ehre Gottes willen das Leben anderer wie das eigene zu schützen; der Leib selbst ist ja ein Tempel Gottes! Für die, die in der Kirche Verantwortung haben und angesichts der vielen, die von Missbrauch betroffen sind, durch ihr Handeln die Glaubwürdigkeit der Kirche aufs Spiel setzen, werden diese letzten Worte des Paulus aber zur Mahnung:

Wer den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören. 1 Korinther 3,17

Und das gilt auch und insbesondere für den Fall unterlassener Hilfeleistungen, zu denen auch ein voreiliger Schutz der Täter vor den Betroffenen gehört. Welche Summe werden die ziehen können, die der Kirche, nicht aber Gott die Ehre gegeben haben, dessen Tempel in den Leibern und Seelen der Opfer geschändet wurden. Welche Summe eines Lebens will man Gott, der allein die Macht hat, zurückgeben? Das Ende des Jahres naht, Gott kommt zur Welt … es ist Zeit, Bilanz zu ziehen … und aus dieser Bilanz die richtigen Schlüsse. Noch ist Zeit … bevor die letzten Worte gesprochen werden müssen.

Dr. Werner Kleine

Author: Dr. Werner Kleine

Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.

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